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Ein kleines Wintermärchen
Von: Druide am 30.03.2013 19:41:59 | Region: Hoch im Norden, im tiefen Wald
Servus, liebe Brennergemeinde!
Da ich zur Zeit keine Maische mehr zum Destillieren habe, werde ich heute eine kurze Geschichte über meine erste Brennerei schreiben.
Schnapsbrennen liegt bei mir wohl in der Familie:
Das sogenannte "Schnapsbrenn-Gen" habe ich von meinem Großvater väterlicherseits geerbt, der vor Jahrzehnten das Brennhandwerk von einem Meister gelernt hatte. Mein Opa brannte Jahr für Jahr etliche Liter Schnaps aus dem Obst aus seinem Garten, der dann immer wieder im Familien- und Bekanntenkreis Verkostungen durchlaufen musste.
Dabei wurde er immer für exzellent befunden, besonders die alten Schnäpse, wie z.B.: ein 8 Jahre alter Enzianbrand:
Vorletztes Jahr kam ich dann durch Zufall auf die "Schnaps-Bibel" von Dr. Schmickl, die ich auf ein paar Stunden durchgelesen hatte.
An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an Hr. Schmickl und Fr. Malle aussprechen:
Ich habe alle 3 Bücher (Schnaps, Essig & ätherische Öle) mit Begeisterung auf einmal ausgelesen und kann Ihnen nicht genug dafür danken, dass Sie diese Praxisbücher geschrieben haben.
In vielen Büchern wird die Theorie zwar des langen und breiten geschildert, aber praktisch sind sie unbrauchbar. In Ihren Büchern herrscht die optimale Kombination von Theorie und Praxis.
Auch für die 3 Foren, die Sie in Ihrer Freizeit am Leben erhalten, möchte ich im Namen aller Brenner, Essighersteller und Duftdestillateure
meinen Dank aussprechen; sie sind die perfekte Ergänzung zu den Praxisbüchern.
Zurück zu meiner Geschichte: Als mein Opa mitbekam, dass ich mich für das Brennerhandwerk interessiere, sprang er sofort mit ins Boot und
half mir bei der Suche nach einer geeigneten Destille. Doch leider tauchte nichts auf und wir wollten selbst mit dem Eigenbau anfangen. Aber ein paar Wochen später entdeckte mein Onkel auf dem Flohmarkt eine alte 30l-Brennerei, die er zu sehr günstigen Konditionen gleich kaufte. Nach einigen kleinen Verbesserungen war sie einsatzbereit. Im Herbst maischte ich gleich das
ganze Obst, das ich in die Finger bekam, ein. Die ersten Brennversuche schlugen noch teilweise fehl, aber mit jedem Brennvorgang bekam ich immer mehr Routine und Erfahrung. Die Brände schmeckten mir anfangs sehr gut, die Schärfe verschwand nach 1/2-1 Jahr bei den meisten Schnäpsen, jedoch war ich doch irgendwie
ein wenig unzufrieden mit dem Geschmack.
Nach langen Recherchen hier im Forum wurde mir allmählich klar, dass ich Nachlauf in vielen Destillaten habe (leichte, milchige Trübungen vor dem Filtern, dumpfer Nachgeschmack).
Einsehen wollte ich es allerdings nicht und brannte mit meiner Destille weiter.
Zur Destille muss ich allerdings dazu sagen, dass ich durch das 50cm lange Steigrohr einen Rektifikationseffekt habe, der mir anfangs ganz
gut gefiel, da ich durch einmal brennen bspw. Apfelmaischen mit 5% Alkohol schon auf knapp 50% aufkonzentrieren konnte, den zweiten Brennvorgang konnte ich mir dadurch sparen, dachte ich zumindestens.
Voraussetzung, dass ich auf 50% im Destillat kam, war allerdings, dass die
Ausgangsmaische mindestens 5% haben musste, darunter kam ich nicht einmal auf 40%.
Anfang dieses Jahres entschloss ich mich dann, die Delux vom Doc zu kaufen, weil mich der anscheinende Nachlaufgeschmack einfach störte und ich wenig Möglichkeiten zum völligen Eigenbau einer Destille habe. Gesagt, getan:
Ich bestellte die Brennerei und nach einigen Versuchen mit Geisten destillierte ich die Mispelmaische, von der ich schon berichtet habe. Das Problem mit dem Nachlauf war beseitigt, das Destillat hat nicht die kleinste Trübung und
ist vom Geschmack her astrein.
Die große Destille verwende ich seither nur noch für Kornschnaps, den ich zum Ansetzen oder Vergeisten brauche. Für große Mengen Maische ist der 30l-Kessel eben doch ein wenig bequemer als der kleine.
Ich habe diese Geschichte geschrieben, um Anfänger vor solchen Fehlern zu bewahren: Am Anfang glaubte ich, dass ich eine richtige Profianlage hätte, mit der ich mir den zweiten Brennvorgang sparen könnte und der Schnaps noch
geschmackvoller als zweifach Gebrannter ist.
Doch warum brennen viele Destillateure heute noch wie unsere Vorfahren mit dem aufwändigen Zweifach-Brand?
Von meinem Opa habe ich trotzdem viel gelernt, jedoch scheiden sich unsere Geister bei der Hefezugabe, Ansäuerung, Vorlaufabtrennung etc.
Seiner Meinung nach ist eine Hefezugabe nicht unbedingt erforderlich, da die Maische sowieso gärt und man kann bei der Maische auch Äste, Blätter usw. dabeilassen, da das Methanol ja beim zweiten Brand im Vorlauf vollständig abgetrennt wird.
Falls es jemand wissen will: Er hat keine Sehprobleme und ist schon sehr alt.;)
Also liebe Neulinge: Macht euch keine Sorgen, um das "böse" Methanol. Ich arbeite so wie es im Buch beschrieben ist und wenn unsere Ahnen nicht durch den Methanolgehalt in ihren Schnäpsen gestorben sind, wird es uns bei einer derart sauberen Arbeitsweise schon gar nicht erwischen!
Eine interessante Sache habe ich noch: Ich habe einige befreundete Brenner zum Thema Nachlaufabtrennung gefragt und viele haben mir geantwortet, dass sie erstens nach Geruch/Geschmack und zweitens nach der Entzündbarkeit des Destillates abtrennen.
Ich glaube Wendy erwähnte diese Methode bereits einmal: Man nimmt ein paar Tropfen des ablaufenden Destillates und versucht sie (mit
Sicherheitsabstand zur Brennerei natürlich) zu entzünden. Solange es noch brennt, ist noch kein Nachlauf dabei. Wenn aber kein "Geist" mehr dabei ist, also es sich nicht mehr entzünden lässt ist es Nachlauf.
Ich habe diese Methode ausprobiert und gemeinsam mit Geruchs- und Geschmackssinn jetzt die - glaube ich - richtige Abtrennungsmethode für mich gefunden.
Ist heute wohl ein langes Wintermärchen geworden, Danke an diejenigen, die soweit gelesen haben.
Es grüßt, der Druide aus seiner Hütte im hohen, kalten Norden.
"Mit der Natur, nicht gegen sie!"