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RE: Potstill nach Schmickl - Überholt, auf der höhe der Zeit oder gibt es bessere Lösungen
Von: der wo am 27.07.2016 22:11:09 | Region: da wer
Hochgradig Maischen funktioniert meiner Erfahrung nach so wie im Buch beschrieben vor allem bei Obst gut. Bei Getreide weiß ich nicht, ich glaub eher nicht. Bei Zuckerwasser finde ich die Qualität nicht überzeugend. Theoretisch führt ein Aufzuckern zur Verdünnung des Aromas und durch die Mehrarbeit der Hefe zu stärkerer Veränderung des Aromas und auch zum Ausblasen von Aromen. Andererseits aber ist die Destillation dann aromastärker, da höhere Prozente im Spiel sind. Alles in allem wird das Aroma daher meiner Erfahrung nach nicht verdünnt, das kann ich bestätigen. Aber es wird nicht so sortentypisch. Es sind viele Fermentationsaromen da und wenig originale. Daß das eine ein Zwetschgenbrand, das andere ein Mirabellenbrand ist, ist blind kaum festszutellen. Die Brände schmecken zwar klar verschieden, wohl da andere Gärungsprodukte entstanden sind, aber beide irgendwie halt nach Zwetschge. Das bekommen Edelbrennereien ohne Aufzuckern deutlicher hin, wenn ich da an den Williams von Ziegler denke, bei dem man sogar die etwas körnige Konsistenz vollreifer Birnen meint zu erkennen. Ich hab für den Spätsommer Williams geplant, zwei Eimer, einen hochgradig, den anderen ohne Zucker, mal schaun, ob sich meine Meinung da nochmal ändert...
Mit einer in Österreich oder Deutschland "legalen" Kleindestille ist hochgradig Maischen die einzige Möglichkeit, ein Fläschchen voll zu bekommen. Also ohne Turbohefe kein legaler Einstieg ins Hobby.
Die Abtrennung mit Thermometer hat halt durch die mistige Qualität von "Labor"-thermometern (und Bratenthermometern sowieso) in der Praxis viel Schaden angerichtet. Diese Anfragen hier wie "warum hatte ich beim Geisten mit gekauftem Alk fast nur Vorlauf?"... Der Leser versteht nicht, daß es beim Abtrennen zu 99% um Geschmack geht, und hält es irrigerweise für möglich, sich zu vergiften. Er bekommt ein Thermometer als Hilfe, ist unsicher und verlässt sich daher zu 100% darauf, obwohl es ja eigentlich geschrieben ist im Buch, daß das Thermometer nicht alleine entscheidet. Leider kommt das regelmäßig nicht genug an beim Leser.
Der mögliche Hinweis, daß man einzelne Gläschen sammeln könnte, würde in der legalen Praxis an den Mini-Gläschen scheitern. Also auch hier ist das Buch zugeschnitten auf Kleindestillen.
Potstills ohne Verstärker werden vor allem verwendet für Whisky. Obst wird von so gut wie allen Premiumherstellern mit Böden gebrannt. Wenn mit unverstärkter Potstill gebrannt wird, wird immer doppelt gebrannt (außer Pisco...). Das hat daher mit der Methode vom Schmickl gar nicht viel zu tun. Diese Potstills haben außerdem meist ein Steigrohr und oft danach noch ein ansteigendes Geistrohr (google Bildersuche: Laphroaig stills). Die Methode von Schmickl ist also absolut einzigartig, daher verstehe ich nicht, daß sie hier als traditionell gegenüber niedrigprozentigen Maischen mit Kolonne brennen dargestellt wird. Aber sie führt natürlich in der Tat zu der maximal möglichen Geschmacksübertragung. Auf keine andere Weise werden so viele hoch- oder gar nicht siedende Stoffe mitgerissen. Das führt aber nicht unbedingt dazu, daß es am Ende am besten schmeckt, aber das lässt sich schriftlich sowieso nicht ausdiskutieren...
Überhaupt wäre es sinnlos, Refluxdestillen im 0.5-2l -Format, welche es gar nicht zu kaufen gibt, im Buch zu beschreiben.
Wenn man (wie ich) nicht der Meinung ist, daß die Verhinderung von Reflux die beste Methode ist, wachsen die Möglichkeiten ins Unendliche: Steigrohrlänge, Füllkörperkolonne, Böden, Thumper, Verstärkerlinse, Dephlegmator, die ganzen Steuerungsmöglichkeiten und andere Details... kein Wunder, daß die Konstruktionen in anderen Foren so einen Raum einnehmen. Nicht ohne Selbstironie übrigens, zB die häufige Bezeichnung der selber gebauten Anlage als "copper porn". Das Stammpublikum ist auch ein anderes dort: Handwerklich begabte Angestellte aus praktischen Berufen, Häuslbauer, oft Pensionäre oder Armyveteranen, auf dem Land, viel Platz und natürlich einer Garage mit allerlei Werkzeug.
Eine Refluxdestille mit Füllkörperkolonne ist noch relativ einfach zu bauen und ist unschlagbar vielseitig, daher bin ich dort gelandet.
Mit "aktuellem Stand der Dinge" hat das nichts zu tun denke ich. Die Methoden im Buch waren schon immer entgegen den üblichen, da vor allem gut geeignet für legale Kleindestillen. Aber natürlich ist unsere Zeit halt so, daß Fachbücher allgemein ein Problem haben, da das Internet kostenlos die größere Information liefert. Der Vorteil vom Internet ist, daß man einen größeren Überblick bekommt, der Nachteil, daß zumindest bezüglich Schnapsbrennen die Info oft viel falscher ist, als das in einem Buch vorstellbar wäre, da sich wegen der Illegalität viele Falschinfos etabliert haben und diese die erste Grundlage des Schnapsinternets bildeten. Daher ist das Internet vor allem für denjenigen sinnvoll, der sich länger mit dem Hobby beschäftigen möchte, das Buch für den, der unwissend erstmal einen Einstieg haben möchte.
Wächst die Heimbrennszene? In Amerika jedenfalls nicht, hab ich den Eindruck. Die Besucherzahlen auf homedistiller stagnieren jedenfalls bzw sinken glaub ich sogar. Die Posts aber nicht. Aber das liegt nicht an dem größeren Interesse, sondern wohl an den Smartphones, die anstelle von Computern benutzt werden. Recherchieren ist mit ihnen unkomfortabler. Daher schreiben viele Fragen, welche man sich mit der Suchfunktion auch leicht selbst beantworten könnte. Aber auch in unserem Forum ist nicht mehr los als vor 5 Jahren. Die wachsende Zahl von Onlineshops mit Destillen und Zubehör entspricht nur dem allgemeinen Trend, mehr im Internet zu kaufen. Und eine schöne Internetseite bedeutet noch lange nicht, daß da auch viel verkauft wird, sondern nur, daß das Erstellen und Betreiben eines Onlineshops nicht viel kostet. Ich glaube, die Shops verdienen eher an der Gewinnspanne (Nischenprodukt) und Niedrighaltung der Kosten, als an hohem Umsatz.
Mein Fazit: Ich finde, das Buch ist auf legale Kleindestillen ausgelegt und durch seinen geringen Umfang verständlicherweise unvollständig.
Jaja der baerbeli mit seiner Abneigung gegen Torf...
Holzfässer wurden übrigens auch nur verwendet, weil es noch keine Edelstahltanks gab. Und so vieles wird heute immer noch so gemacht wie seit je her, obwohl es anders viel effizienter gehen würde. ZB das Fortpflanzen ;-)