Hach… Da piesackt mich doch wieder der olle Widerspruchsgeist
Moin Tony! Moin Wendy!
Dein Rat mit der Reflux und der Zuckermaische ist in Ordnung. Völlig daneben allerdings der Tipp, eine Internal-Reflux nach der Bauanleitung auf der erwähnten Seite nachzubauen. Obwohl die Seite ja bekannt ist wie ein bunter Hund, ist die Konstruktion mit einem Wort gesagt Mist.
Vor knapp 10 Jahren wurden diese Dinger hundertstückweise kritiklos von Leuten, die von jeglicher Ahnung hinsichtlich der etwas schwierigen Physik dieser Destillationsgeräte unbeleckt waren, nachgebaut ( in der Fotogalerie mit den Nummern 145 und 72. Die Nummer 109 ist ein Kapitel für sich…) und in einem großen Auktionshaus für viel Geld an ahnungslose arme Teufel vertickt. Die werden wohl für immer die Nase von der Brennerei voll gehabt haben. Die Bedienung sollte „kinderleicht“ sein. Wahrscheinlich hat nie jemand damit ernsthaft gearbeitet oder sie auch nur ausprobiert. Einen Brennbericht einer solchen kruden Konstruktion findet man hier:
http://www.schnapsbrennen.at/diskussion/20060912125514-01.html#20060912125514-01
Ohne Zweifel ist die Bauanleitung von einem Autor geschrieben worden, der sich theoretisch mit der Materie beschäftigt hat, weil er gelegentlich auf mögliche Schwächen der Konstruktion eingeht. Leider ist die Umsetzung der Physik völlig in die Hose gegangen. Dazu ist er bar jeden handwerklichen Geschicks und ökonomischen Augenmaßes. Akademiker? Wahrscheinlich Lehrer! ;-)
Warum Mist?
Zunächst das Äußere:
1. Völlig überdimensioniert ( reicht für 10 kW Heizleistung und 100 ml/min)("Kanonen und Spatzen")
2. Für den Zweck zu kurz (28,5“ ca. 750mm mind. 1000 mm wären nötig)
3.Lötfittings in den Maßen sind irre teuer. ca. 10 T-Stücke, Bögen, Reduziermuffen in den Maßen 54 mm, 42 mm und 28 mm mit teilweise kleinen Abgängen bzw. großen Durchmesserdifferenzen. Den Materialwert schätze ich grob auf 250 €. Bei den Abmaßen ist selbst Weichlöten nur mit professionellen Brennern möglich.
4. Kühler wenig effektiv, deshalb bei der Dimension zu kurz. Hätten bei der Länge mehrere wesentlich dünnere sein müssen.
5. Kappen bohren? Wer macht denn das?
Jetzt zur Physik:
Wie soll ein solches Gerät funktionieren? Alkoholdampf steigt im Steigrohr auf, kondensiert in der Packung und heizt diese auf, die Wärme kriecht die Säule hinauf. Wenn der Dampf das obere Kühlwasserrohr erreicht, kondensiert ein Teil und sickert in der NIRO-Packung nach unten. Dabei werden die leichtsiedenden Anteile (z.B. Azeton, Methanol) durch die aufsteigenden heißen Dämpfe wieder verdampft, die Dämpfe ihrerseits kühlen sich ab und teilen sich auch in leicht- und schwersiedende Anteile, welche aufsteigen bzw.absinken. So bilden sich durch ständigen Stoff- und Energieaustausch Schichten im Steigrohr, die den Fraktionen Vorlauf, Mittellauf und Nachlauf zugeordnet werden können.
Mit einer fein dosierbaren Heizquelle kann man die Energiezufuhr so einstellen, dass sich ein Gleichgewicht einstellt, aller Dampf am oberen Kühlrohr kondensiert und das Steigrohr nur bis zum oberen Kühlwasserrohr heiß wird. Wenn man die Energiezufuhr langsam erhöht, „schwappen“ die Dämpfe, die vor allem Vorlauf enthalten über in den Kühler und der Vorlauf geht ab. Es tropft und hört nach kurzer Zeit auf. Die Temperatur von knapp 78°C bleibt annähernd konstant.
Erhöht man die Energiezufuhr weiter, steigt die Schicht mit dem Mittellauf, und es beginnt bei ca.78°C erneut zu tropfen. Dies geht eine ganze Weile, ohne dass sich die Temperatur wesentlich verändert. Schließlich wird der Strom geringer und hört auf. Schaltet man eine Stufe höher, steigt die Temperaratur sprunghaft an, und man hat den Nachlauf.
Da ich nicht alles tausendmal schreiben möchte, habe ich diese Passage aus meinem unten stehenden Diskussionsbeitrag kopiert.
Vor drei Jahren haben wir hier den oben erwähnten Brennbericht diskutiert:
http://www.schnapsbrennen.at/diskussion/20060912125514-01-02-02.html#20060912125514-01-02-02
Aus diesem Beitrag hebe ich nun noch einmal die Hauptmängel der zur Rede stehenden Reflux heraus:
Dies Konstruktionsprinzip der konventionellen Reflux hat mindestens drei schwerwiegende Mängel:
1. Der zweite untere Kühlwasserdurchgang bringt die Schichtung durcheinander, vor allem, wenn er sich in Steigrohrmitte befindet.
Bei der erwähnten spanischen Konstruktion sitzt nur ein Kühlrohr ganz unten im Steigrohr. Wie soll sich da eine Schichtung ausbilden? Unten hat kein Kondensator was zu suchen.
2. Enormer Wasserverbrauch (>100 l /h)
3. Die Temperatur des oberen Kühlwasserdurchgangs ist von der Kühlleistung im Kühler abhängig. Das Temperaturverhalten ist immer instabil.
Die Begründung steht in dem Beitrag.
Während ich damals aber aus gutem Grunde unterlassen habe mitzuteilen, wie man eine Mistkonstruktion zu einer gutmütigen, sauber funktionierenden Destille umerziehen kann, gebe ich jetzt mal eine kurze Baubeschreibung, damit sich die Leser nicht wie damals wie nach einem c. interruptus fühlen.
Die Grundkonstruktion wie Abbildung 145 wird wie folgt geändert: Das untere Kühlrohr führt nicht durch die Kolonne. Das obere Kühlrohr wird in der Mitte zwischen Kolonne und Kühler unterbrochen.
Der Kühlwasservorlauf wird an das obere Kühlrohr angeschlossen. Nach Passage der Kolonne wird das Wasser in den Vorlauf des Kühlers unten geführt. Es durchläuft den Kühler im Gegenstrom und tritt oben am Rücklauf des Kühlers aus. Wenn man die Destille neu baut, dreht man den Rücklauf des Kühlers natürlich um 90°.
So ist gewährleistet, dass trotz niedrigen Wasserverbrauchs die Temperatur im oberen Kühlrohr (Kondensator) immer gleich und damit der Reflux konstant und das Destillat immer gleich zusammengesetzt ist.
Die grundsätzliche Konstruktionsmangel der Kühlleistungsabhängigen Refluxmenge ist damit ausgemerzt.
Obwohl der Beitrag wieder ziemlich lang geworden ist, konnte ich Vieles nur anreißen. Ich würde mich freuen, wenn wir vllt. mit Interessierten eine Diskussion über Refluxdestillen in Gang kriegten. Sie führen hier ja leider nur ein Schattendasein.
Weil sie so „schwierig“ sind? Stimmt doch gar nicht! :b
Mit freundlichen Brennergrüßen aus Ostfriesland
Gerd