Hi, Lutz!
Das mit dem Dephlegmator ist eine nette Bastelei, meiner Meinung nach aber von fraglicher Effizienz. Problem ist u. a. eine genaue Temperatursteuerung abhängig von Deinem Kühl-setup. Schon Zehntelgrade haben einen hohen Einfluss. Eine stabilere Steuerung lässt sich mit einer vom Kondensorkreislauf entkoppelten Kühlung erreichen, diese erkaufst Du aber mit höherem Kühlmediumverbrauch. Den Dephlegmator (wenn schon) auf jeden Fall UNTEN in der Kolonne verbauen. Spiralen sind da nicht so sinnvoll, da diese selten eine homogene Temperatur (am Anfang zu Kalt, am Ende zu warm) und gleiche Diffusionsstrecken aufweisen, ergo schlecht steuerbar/ineffizient sind. Ich empfehle einen umspülten triple- oder quatro- Shotgunkondensor direkt unter der Kolonne. Bei nur 28mm aber schon fast Mikrochirurgie und sehr Radiuseinschränkend. IMHO macht ein Dephlegmator nur bei Pot-Stills Sinn, um die Prozente anzuheben, bei gerinerer Volumen/Zeit-Effizienz.
Habe mal ursprünglich die Idee gehabt, meine Reflux-spirale (Anlage 214, SUFU liefert Erklärungstext) im Kopf meiner Destille quasi zusätzlich als temperaturgesteuerten (über Kondensator-Rücklauf) Dephlegmator zu fahren, hat aber schlechtere Ergebnisse gebracht und war SEHR frickelig zu steuern. Wollte also nur refluxen, was der Dephlegmator zurückwirft, den Rest durchlassen. Der Denkfehler lag im Verhalten des Azeotrops, was viel mehr zählt ist das Verhältnis des gerefluxten Volumen zum Abgezogenen, also die theoretische "Zyklenhäufigkeit" zu erhöhen, was mit einer Refluxdestille ja wunderbar geht. Soll heißen: Wenn Du mit dem %-Ergebnis oder der Volumen/Zeit-Leistung Deiner Refluxdestille nicht zufrieden bist, ist sie uneffizient ausgelegt. Höhere Effizientsteigerung erreichst Du:
1. Durch Durchmessererweiterung Deiner Kolonne, das bringt Dir mehr Volumen pro Zeit
2. Durch Verlängerung Deiner Kolonne, das bringt Dir mehr Prozente aufgrund erhöhter Anzahl theoretischer Platten
3. Durch Variation Deines Packungsmaterials, das bringt Dir mehr zur zur Verfügung stehende Kondensations/Vaporisationsfläche, also mehr HETP pro Länge. Achtung: Packungsdichte (Srömungswiderstand!) beachten.
4. Durch längeres Equilibrieren und geringeres Abziehen von Destillat
oder 5. Durch Heizleistungs- und gleichzeitige Reflux-Erhöhung
Hoffe, damit geholfen zu haben, Hydroxyethan
PS: Habe mir Dein Set-Up noch einmal durchgelesen, glaube wir reden aneinander vorbei. Noch mal ganz von Vorne (Da hier oft die Funktion eines Dephlegmators falsch verstanden wird)
Die simpelste Form einer Destille:
1. Brennblase -> Kondensator
Hier herrscht so gut wie (Deckel) kein Reflux (keine Aufkonzentrierung), zumindest wenn die Brennblase fast komplett voll ist. Ist sie nur halb voll, gibt es minimalen Reflux über die nicht beheizten Seitenwände. Eine Rektifikation findet aber nur in einem horizontalen relativ engen Band dort statt, wo die Temperatur zwischen Kondensationspunkt Ethanol und Wasser liegt. Reflux OHNE Rektifikation ist nur Energieverschwendung. Der Phasenübergang Flüssig/Gasfürmig wird übrigens immer als erste theoretische Platte angesehen, also vereinfacht die Brennblase. Muss es auch, sonst würde Destillation nicht funktionieren.
Der Mensch hat rumprobiert und ist durch Trial and Error drauf gekommen, dass man die Prozente erhöhen kann, wenn man die Fläche DIESES engen Bereichs erhöht. Deswegen haben z.B. Whiskydestillen diese lustigen Kupferblasen oben aufsitzen. Weiter Durchmesser, also hohe Fäche in eben jenem engen horizontalen Bereich. Damit wären wir bei
2. Brennblase-> Steigrohr-> Kondensator
Nun kann man diese effektve Fläche auch in einen (Steig)Rohr vertikal in die Länge ziehen, indem man isoliert, bzw so viel Dampfenergie zuführt, dass die Aussenfläche des Steigrohres durch Strahlung und Konvektion die Energie nicht schnell genug abführen kann, der Temperaturgradient auf die Länge also geringer ist und sich dieses "Band" in die Länge zieht.
Jetzt hauen wir noch eine Packung in das Steigrohr und wären bei:
3. Brennblase-> Steigrohr mit Packung -> Kondensator
Hier hat man schon begriffen, dass die Fläche in diesem Bereich der limitierende Faktor ist. Hier findet die Magie statt.
Was passiert:
- Das Azeotrop (Wasser/Ethanolgemisch)kondensiert
- Durch die dabei entstehende Kondensationswärme heizt sich die Fläche auf
- Jetzt verdampft wieder das Gemisch, EtOH aufgrund des geringeren Siedepunktes aber schneller, dieses kühlt die Fläche wiederum, so dass H2O statistisch gesehen eher hängen bleibt.
- H2o kann noch kondensieren (höherer Siedepunkt, weitere Infos google Aggregatzustände und Brownsche Molekularbewegung)und setzt übrigens um ca den Faktor 3 mehr Energie frei als kondensierendes Ethanol.
- Das restliche EtOH verdampft und steigt weiter nach oben, das kondensierte Wasser läuft zurück.
- Dies ist IMMER ein statistischer Prozess, es ist also immer eine gewisse Restmenge Wasser nach oben und eine Restmenge Ethanol nach unten enthalten. Leider Asymptotisch, nicht linear.
- Dies findet über die gesamte Kolonnenlänge mit fallenden Temperaturen statt.
So, jetzt haben wir sehr laienhaft den Prozess der Rektifikation begriffen!
Wer wirklich wissen will, wie´s funktioniert:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/rektifikation_praktikum.vlu/Page/vsc/de/ch/7/tc/rektifikation/praktikum/einfuehrung/kolonne.vscml.html
Jetzt gab es 1956 einen schlauen Menschen Namens van Deemter, der sich dachte: das muss man doch auch zum optimieren berechnen können, und: ja, man Kann! Die van Deemter Gleichung war geboren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Van-Deemter-Gleichung
Und hier haben wir nun die ominösen HETP, also Höhenaequivalente theoretischer Platten. Platt formuliert sagt deren Anzahl aus, wie oft Du mit einer Primitiv-Destille destillieren musst, um die gewünschten Prozente zu erreichen, deren Höhe gibt Auskunft darüber, wie effektiv Deine Kolonne dimensioniert ist, und da spielen viele Faktoren eine Rolle (s. u.A. ganz oben).
Nun geht die Van Deemter-Gleichung aber von einer idealen Kolonne aus, die im Equilibrium ist und von der kein Produkt (Gleichgewichtsverschiebung des Siedediagramms) abgezogen wird. Um das zu erreichen, musst Du OBEN allles niederhauen und retour schicken weas ankommt, da sonst die Temperatur immer weiter steigen würde und die HETP sich somit auflösen würden.(denn Du heizt ja unten noch! Viel mehr als die Kolonne nach aussen abgeben kann, Du willst ja auch Produkt abziehen können und irgendwann fertig werden).Wir wären also bei:
4. Brennblase-> Steigrohr mit Packung UND Reflux -> Kondensator
Wir haben jetzt also eine Kolonne mit geeigneter Packung, Länge, K-Wert und Durchmesser und OBEN in der Kolonne einen zusätzlichen Kondensator,(das ist KEIN Dephlegmator!) der uns alles an Energie niederhauen kann, was unsere Energiequelle liefert und über die KOMPLETTE Kolonnenlänge/Packung zurückschickt, so dass sich oben beschriebener Prozess quasi endlos wiederholen kann. Nicht zu verwechseln mit Deinem Produkt-Kondensator! Ui, eine Reflux-Rektifikationsdestille!
Jetzt will ich Stoff, dafür gibt es nun einige Möglichkeiten:
1. CM (engl. für coolant Management = Kühlflüssigkeitsmanagement)
Ein offenes System, das oben in der Kolonne mittels geeignetem Kondensator (Kühlfinger, einfach- oder gegenläufig gewickelte Spirale, Plattenkondensator, u.s.w. mit jeweiligen Vor- und Nachteilen) das Kondensat zurückschickt. Ist das System im Gleichgewicht - das dauert einige Minuten - ziehst Du OBERHALB Dampf ab, indem Du die Kühlleistung reduzierst, bis ein bisschen Dampf vorbei schlüpfen kann. Den kondensierst Du mit Deinem Produktkondensator und da hast Du Deinen max. 95,6 %-igen Stoff.
2. VM = Vapor management
Hier regulierst Du die abgezogene Menge DAMPF mittels beilspielsweise Sperrschieber. Kühlung/Reflux bleibt konstant. Sinnvoll, wenn Du mit einem sich aufheizendem geschlossenen Kühlkreislauf arbeitest, der sonst immer nachgeregelt werden müsste oder über einen großen Puffer verfügen muss. Gefahr: Druckaufbau im System mit allen daraus folgenden Konsequenzen. (Verschiebung Siedediagramm, im Extremfall Explosion, also IMMER geeignete Druckentlastung vorsehen!)
3. LM = Liquid Management
Hier wird unterhalb der Refluxeinheit eine Kondensatfalle eingebaut, die es Dir ermöglicht, einen Teil (ca10%) des Refluxes schon in flüssiger Form mittels z.B. Nadelventil abzuziehen.
Vorteil: Der Produktkondensor entfällt
Nachteil: siehe oben, außerdem ist Dein Produkt ziemlich warm, der Engelsanteil steigt und die %-Messung beispielsweise in einer Vorlage muss temperaturkorreliert werden.
So, und was genau ist jetzt nun ein Dephlegmator?
Die Idee eines Dephlegmators ist, nur schon relativ "vorgereinigten Dampf" in die Kolonne zu lassen, deren Effizienz also zu erhöhen. Wie? Nur Dampf einzulassen, der halbwegs die "richtige" Temperatur hat. Der Siedepunkt von EtOH liegt bekannterweise bei ca 78 Grad Celsius. Was höher liegt, enthält mehr Wasser. (Dampfdruck und Partialdrücke nicht ausser Acht lassen!) Wenn wir jetzt unten eine "Schleuse" einbauen, die mit 78+einbisschenwas Kühltemperatur betrieben wird, verzögeren wir die Dampftemperaturerhöhung, statistich wird mehr Wasser in die Brennblase rückgeführt, die Kolonne kann also länger im effektiveren Bereich arbeiten, die Trennungen der Bestandteile des Destillates werden schärfer. Dies erkaufst Du Dir natürlich mit höherem Energieeinsatz, nix ist umsonst... Elegant wäre, das erhitzte Rücklaufkühlwasser unseres Produktkondensators zu benutzen, quasi eine Art Autoregulation: Am Anfang geringer Wasseranteil im Dampf, also geringes nötiges Rücklaufvolumen, also geringe Dephlegmatorfunktion, bei steigendem Rücklaufvolumen höhere Funktion. Nur wie steuern ohne massiven Regeltechnikeinsatz? Und wie Oszillation aufgrund der Reaktionsträgheit des Gesamtsystems verhindern? Das sprengt definitiv den Hobbyrahmen. Also wie ganz oben erwähnt zusätzlichen Kühlkreislauf mit Temperaturüberwachung/Steuerung des abfließenden Kühlwassers des Dephlegmators. Einmal eingestellt, läuft das Ding, konstanter Druck und Temperatur des Zulaufs vorrausgesetzt. Wir wären also jetzt bei:
5. Brennblase-> Dephlegmator -> Steigrohr mit Packung UND Reflux -> Kondensator
Steigerungen? Klar, die gibts, wie wärs z.B. mit Vakuumdestillation, also unter Unterdruck? Hätte einige Vorteile, was Energieeinsatz und Aromaerhalt bei Aromabränden angeht... The Sky is the Limit!!!!
Noch einige ergänzende Anmerkungen für alle, die bis hier durchgehalten haben:
Jedem Prozess-oder Verfahrenstechniker stehen spätestens jetzt alle Haare zu Berge, die gegebenen Erklärungen sind sehr reduziert und verallgemeinernd, was immer gefährlich ist. Hier soll lediglich ein Denkansatz und Basisverständnis vermittelt werden, das geht so knapp nur auf Kosten von wissenschaftlicher Korrektheit. Wer sich die Mühe macht und es besser eindampfen kann, bitte, ich würde mich für alle interessierten Laien da draussen freuen.
Deine Destille, Lutz, kann nur rudimentär als Rektifikationsdestille bezeichnet werden, da sie über keine bzw nur passive Refluxmöglichkeit verfügt. Du müsstest SEHR langsam fahren, um sie ans Limit zu bringen. Der Effekt ist so extrem, dass ich mir bei Aromabränden (kein Reflux) inzwischen nicht mal die Mühe mache, meine Packung zu entfernen, die 3-5 mehr Prozent dünne ich einfach nachher runter und spül die Packung einmal durch, um keine Aromaverschleppung in meine Neutralbrände zu haben.
Konstruktionen, die im Internet kursieren und einen durch das Steigrohr geführten Produktkondensorkreislauf beinhalten (2 Querrohre oben und unten) sind MURKS!!! Mit oder ohne Packung!!! Wer so was baut oder noch schlimmer verkauft, hat keine Ahnung, wie Refluxrektifikation funktioniert, nicht böse sein...
So, das wars von mir, hoffe, ich habe keinen allzu großen Bock Nachts um halb 5 geschossen. Ein Wort noch an Secret Factory, solltest Du das lesen: Das ist auch für Dich! Irgendwie wurde mein letzter Beitrag in unserem Thread nicht veröffentlicht. Hatte wohl Gott seine Finger im Spiel...
Mit freundl. Grüssen, Hydroxyethan