Diskussion - Schnaps, Ätherische Öle, Essig

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Juni 2018:

Seit der letzten größeren Umstellung der homepage und der Foren sind inzwischen unglaubliche 16 Jahre (!) vergangen. Wenn man bedenkt, dass im Internetbereich bereits zwei bis drei Jahre eine Ewigkeit sind, ist das durchaus beachtlich. Jedenfalls hat sich inzwischen technologisch dermaßen viel getan, dass es zwingend notwendig geworden ist, nicht nur die Foren, sondern gleich den gesamten Web-Auftritt von Grund auf komplett neu zu gestalten und die Programmierung auf den letzten Stand der Technik zu bringen. Einhergehend wurden natürlich diverse neue Features eingeführt, z.B. war es längst überfällig, dass zu einem Forumsbeitrag auch Bilder hochgeladen oder die Foren mittels RSS-feed abonniert werden können. Bilder, die auf externe homepages gespeichert und dann hier mittels img-tag eingebunden wurden, haben wir selbstverständlich nachträglich eingepflegt, damit keine wertvolle Information verloren geht. Jedenfalls wünschen wir auch weiterhin viel Spaß beim Erfahrungsaustausch und Ausprobieren!

Juni 2002:

An dieser Stelle möchten wir uns zuerst einmal bei allen Benutzern unserer Fachfragen ganz herzlich für die rege Teilnahme bedanken! Ohne Sie wäre es nicht möglich gewesen, daß sich in so kurzer Zeit (der erste Beitrag stammt vom 08.Apr.1999) ein derart informatives und hoch qualitatives Nachschlagewerk entwickelt. Durch die große Menge an Beiträgen und die hohen Besucherzahlen ist es notwendig geworden die Fachfragen mittels PHP und MySQL selbst zu entwickeln (endlich keine lästigen Werbebanner mehr!), im Rahmen dessen haben wir hoffentlich einige Verbesserungen eingeführt.

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So das war's auch schon, wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Erfahrungsaustausch, Lesen, Beiträge verfassen und natürlich auch beim anschließenden Ausprobieren! Dr. Malle & Dr. Schmickl

tradition vs. wissenschaft

Rene Schmutz am 12.07.2010 22:26:20 | Region: Kolumbien, Hochebene Bogota
ok.. ich glaube ich muss ein wenig ausholen... ich war bis vor kurzem ein paar jahre beruflich im herzen rumäniens in siebenbürgen tätig und dort wurde ich von einem 60-jährigen ureinwohner in die kunst des brennens eingeführt. er hat es von seinem vater gelernt usw... dort ist der pflaumenschnapps – auch tuika genannt sehr bekannt und traditionsreich. natürlich hat dort nie einer etwas von hefen oder einem refraktometer gehört. vorlauf ist immer ein gutes cola-glas - alles danach kann getrunken werden, abgedichtet wird mit einem mehl-wasser gemisch, wenn die früchte süss sind wird auch die akoholmenge gut. wenn es beim riechen am gärfass in der nase sticht, ist die gärung abgeschlossen etc. etc.

wir haben dann also ein jaar jahre vor uns hin gebrannt und ich glaube ich habe schon ein paar aromatische brände hingekriegt und die dann immer ein paar monate im fass gelagert um sie etwas milder zu machen.

nun bin ich beruflich nach kolumbien versetzt worden und hab meinen kupferkessel natürlich mitgenommen. nun habe ich die ersten maischen mit ananas und mango angesetzt und da ich mich ja nun ganz klar aus der tradition in das experimentelle begebe, überkommen mich doch gewisse zweifel...

beispielsweise habe sonst immer ein wenig (1-2 kg auf 30kg maische) braunen zucker beigegeben um die ausbeute zu erhöhen. mein rumänischer mentor sagte mir allerdings, dass der beste zucker, natürlicher rohrzucker ist...
da das zeug hier wächst, wollte ich für die mangos ein paar liter frisch gepressten rohrzuckersaft hinzugeben und das zeug hat schon nach drei tagen im kühlschrank angefangen zu gären. ich hab es wegekippt da ich ja nicht schon halb vergorenes in die maische kippen wollte und nochmal ein paar liter gekauft, aber diesmal bis zur beimischung eingefroren. beim auftauen hat sich eine bräunliche schlammige substanz abgesetzt die durchaus ähnlichkeit mit hefe hat. egal dachte ich – und rein damit! nun brodelt es in meinem mango gärfass wie irre – das finde ich alles schon reichlich suspekt – kann mir jemand erklären was das sein kann?

das ist natürlich nur eine unsicherheit. was ist mit meiner auswahl an exotischen früchten? gibt es irgendwas besonderes zu beachten bei diesen früchten? was ist mit diesen chemischen zusätzen von denen ich in mitteleuropäischen foren immer lese? kann mir jemand kurz und knapp erklären, worin der nutzen besteht im vergleich zum traditionellen naturbelassenen gärprozess? dann habe ich in foren gelesen, dass man eine gewisse hygiene beachten muss... also stengel und kerne hat mein rumänischer mentor immer mit vergärt.. ist das nicht gut? ich wäre echt für ein paar hinweise dankbar was aus wissenschaftlich/mitteleuropäischer sicht absolut wichtig ist.

tausend dank!
rene

RE: tradition vs. wissenschaft

Wendy am 13.07.2010 14:24:02 | Region: Southpark
Hallo Rene,

um die Schule Deines rumänischen Mentors wirst Du sicher beneidet.

In Deiner Email wirfst Du viele Grundfragen auf, die im Büchlein des Dr. Schmickel, für den Laien leicht verständlich und mit hohem Praxisbezug, beantwortet werden. Sollte es Dir nicht möglich sein, im fernen Kolumbien „Schnaps brennen als Hobby“ zu beziehen, sei Dir neben der Suchfunktion dieses Forums, das folgende Dokument empfohlen: artisan_distilling1.0.0.pdf
Einfach mal „googeln“. (Ich hoffe, ich verstoße jetzt nicht gegen die Netiquette.)


Gruß
Wendy

RE: tradition vs. wissenschaft

Rene Schmutz am 14.07.2010 15:37:51 | Region: Kolumbien, Hochebene Bogota
hi wendy,

danke für den hinweis! hab es schon gefunden. auch wenn mein englisch nahezu muttersprachlich ist, tue ich mich mit dieser terminologie etwas schwer - da bin ich doch eher deutsch gewohnt :-)

ich hatte auch schon gestern das buch von dr. schmickl bestellt - ich habe ein austauschfach in berlin - dauert halt nur eine weile bis es hier ist.

seltsam das es manchmal dritte braucht um das offensichliche zu erkennen. du hast völlig recht - ich sollte stolz auf meine traditionelle schule sein. stattdessen habe ich meinem lehrer eher innerlich die schuld gegeben für all die sachen die er mir nicht erklärt hat, die ich hier im forum finde. schon recht peinlich...

ich baue jetzt einfach auf diese alte schule auf und werde mich dazu auf die lektüre von fachbüchern und gleichgesinnte im internet stützen.:-)

leider habe in dem englischen buch beim ersten überfliegen auch keine hinweise zu meinen akuten unsicherheiten/problemen mit exotischen früchten und zuckerrohr gesehen. ich wäre also weiterhin für jegliche hinweise dankbar. die grundregeln in dem buch werde ich ohnehin erst mit meiner nächsten maische berücksichtigen können...

danke!
rene

RE: tradition vs. wissenschaft

Wendy am 17.07.2010 10:39:44 | Region: Southpark
Damit Du nicht so lange auf die Informationen aus der Flaschenpost aus Deutschland warte musst, hier einige Informationen zu Deinen offenen Fragen:

Folgende Kriterien sind bei den Früchten von besonderer Bedeutung: Die Früchte müssen vor dem Einmaischen sauber sein und dürfen keine faulen Stellen oder Stile aufweisen. Mangelhaftes Obst sorgt für Fehlgärungen. Dem Aroma und dem Zuckergehalt kommen besondere Bedeutung zu.
Den Zuckergehalt deiner exotischen Früchte würde ich an Deiner Stelle im Internet recherchieren. Folgende Faustregeln solltest Du beim Zuckern beachten: Du benötigst etwa 20 g/l Zucker in der Maische um den Alkoholgehalt der Maische um 1% zu erhöhen. Die Maische sollte mindestens 12% Alkohol enthalten. Bei einer geringeren Konzentration müsstest Du zweimal brennen um ein 45%-tiges Destillat zu erhalten. Ein zweites Brennen ist mit einem Aromaverlust verbunden.
Bei der Gärung verwandeln die Hefebakterien den Zucker in Alkohol. Als Nebenprodukt entsteht dabei Kohendioxid. Den Hefebakterien ist es egal, ob der Zucker braun, schwarz oder gelb ist ;-), Hauptsache Zucker.
Hefebakterien sind nicht gleich Hefebakterien. Es spezielle alkoholresistente Züchtungen. Die wandeln besonders viel Zucker um und sorgen so für eine hochprozentige Maische. Zur Not kannst Du auch normale Bäckereihefe nehmen. Dosierung: Pro 100l Maische können bis zu 250gr zugegeben werden.
Damit die Hefebakterien ein optimales Milieu vorfinden, ist ein ph Wert von 3,5 optimal. Diesen kannst Du mit ph Stäbchen messen und mit Zitronensäure einstellen. Näheres hierzu findest in diesem Forum und in deiner Flaschenpost ;-).
Empfehlenswert ist es, am Vorabend des Einmaischens einen Gärstarter anzusetzen. Auch hierzu ist in diesem Forum schon viel geschrieben worden.
Wenn die Maische nun endlich fertig ist, muss das Maichefass mit einem Gärtrichter verschlossen werden. Du kannst auch einen Schlauch in U-Form biegen (wie ein Siphon) und mit Speiseöl füllen. Speiseöl deshalb, weil es im Gegensatz zu Wasser nicht verdunstet. Der Gärtrichter sorgt dafür, dass keine Luft (oder Essigfliegen) an die Maische gelangen. Die ideale Umgebungstemperatur liegt um die 20°C

Das Brennen ist ein neues Kapitel. Nutze die Suchfunktion dieses Forums und gebe „Bechermethode“ und „Vorlage“. Die Fotogalerie dieses Forums ist auch eine wertvolle Informationsquelle.

Gruß
Wendy

Philosophisch angehauchte Antwort

PTeer am 17.07.2010 23:43:10 | Region: Saxen
Servus René
Dieses Forum gibt über (fast) alles Auskunft, deshalb verdient es auch berechtigt jedwede Lobhudelei! Es ist nicht kommerziell angesiedelt. Wer "das Buch" kauft erspart sich und anderen einfach wertvolle Zeit. Und Du wolltest ja einen kurzen Weg. Deine Erfahrungen sind sicher ebenfalls nicht mit Gold aufzuwiegen, aber da sie traditionell sind und unwissenschaftlich verankert kann man sie natürlich immer zerpflücken. Trotzdem lebt das hier gerade auch von solchen Erfahrungen und Meinungen. Ich wünsche Dir: bewahre Dir praktische Dinge die vielleicht selbst die Wissenschaftler anders interpretiern. Was ungesund ist sollte man aber wirklich schnell begreifen. Es ist doch nicht die unbequemste Art aus Fehlern anderer zu lernen. Geschmack entscheidet und über den läßt sich sinvollerweise nicht streiten.
Um zu wissen ob man gute Brände fabriziert genügt nicht das alternativlose Dasein in einer Inselposition, besser der persönlich ehrliche Vergleich. Um da ent-scheiden zu können benötigt man etwas was man voneinander scheiden kann. Du wirst um Fremdprodukte nicht umhinkommen um Deine Kunst einschätzen zu können.
Was Du so schreibst klingt bis auf die "natürliche" Gärung doch ok. Gären tut Zucker mit Hefe. Je mehr Zucker desto besser für den Alkoholgehalt. Je definierter (Zucht-Hefe nach den gewünschten Anforderungen) um so effektiver und gesünder. Grünzeug und Holz sind schlecht, weil ungesund in ihren Zersetzungsprodukten. Geschmack, Aroma das ist ein weites Feld und Du forderst Größenwahn wenn Du das in 5 Sätzen erklärt haben willst. Da spannt sich der Bogen vom Klima über die Ernte über das Einmaischen, Wasser, Vergärung, Lagern, Abfüllen und was weiß ich noch alles. Und manchmal sind "Fehler" gerade das i-Tüpfelchen für geniale Dinge. Voraussetzung: der Künstler beherrscht erst mal das Handwerk.
Orange, Kiwi, Mango: Du findest hier zumindest Fragen aus denen Du etwas ableiten kannst. Rohrzucker der Beste Zucker? Ich weiß nicht. Vielleicht sagte das Dein Mentor weil er nie welchen bekommen konnte. Wie Du hier lesen kannst, Neutralalkohol herstellen ist wirklich nicht als Kunst zu bezeichnen. Jeder macht seinen Schnaps mit dem Material welches ihm zur Verfügung steht. Das Wichtigste Instrument dabei ist Dein Hirn. Manchmal zahlt sich Sturheit aus und manchmal eben Flexibilität. Beides Dinge die Menschenhirnen eigen sind.
Machs Gut!
(und das meine ich ernst!) PTeer

RE: tradition vs. wissenschaft

raro am 21.07.2010 00:58:53 | Region: BW
Hallo Rene,

ich habe den Umgang mit der Maische von meinem Vater erlernt, der es wiederum von der Generation davor erlernte usw. Das war schon nahe dran am Lehrbuch bzgl. Sauberkeit, Gärspund, Vorlauf etc. Vor einiger Zeit war ich dann ein paar Jahre in Bosnien, wo ich in einem Dorf den dortigen Brenner mit seiner Destille (siehe http://www.schnapsbrennen.at/img/selbstbau/anlage105.jpg ) kennenlernte und damit auch deren Vorgehensweise beim Herstellen vom Slivovic (Zwetschgenschnaps). Das war vermutlich ähnlich wie deine Erfahrung in Rumänien. Dort ist es genauso mit der Weitergabe des Wissens von Generation zu Generation. Eigentlich weiss keiner so genau was er tut, sondern nur wie er es zu tun hat damit am Ende der Destille Schnaps rauskommt. Wie der nun schmeckt und wie ergiebig der Brand ist, ist meist wie bei der Lotterie. Die hauen die Zwetschgen ungereinigt mit Stiel grob zerkleinert in ein Fass, stellen es meist spärlich abgedeckt in die Sonne und nach kurzer Zeit (meist 1-3 Wochen) wird gebrannt. Die obere Schicht, die verdorben ist, wird einfach abgeschöpft und verworfen. Vorlauf bzw. Nachlaufabtrennung findet nicht statt. Oft wird die lauwarme Maische nach der Destillation nochmal mit Zucker und Bäckerhefe angesetzt und nach einiger Zeit nochmal gebrannt.
Das hat mich nun dazu gebracht das ganze etwas wissenschatlicher zu ergründen und hab mir DAS Buch gekauft. Bewaffnet mit allerlei Utensilien habe ich dann meinen Bekannten in Bosnien dazu genötigt (eigentlich war er sehr skeptisch und hatte Angst um seine Zwetschgen) nach Lehrbuch vorzugehen. In dem Jahr war die Ausbeute rekordverdächtig hoch bei 17l Schnaps pro 100l Maische und der war sehr aromatisch. Bei Nachbarn schwankte die Ausbeute zw. 5 und 12 Litern. Das Jahr danach machte er es wieder auf die herkömmliche Art, da ihm meine Methode zu kompliziert und suspekt war.
Was ich nun mit der Geschichte sagen will ist: Das was du in Rumänien erlernt hast ist bestimmt nicht falsch um Schnaps zu brennen. Wenn du aber ein aromatisches Destillat herstellen willst und verstehen willst was da passiert, dann lies das Buch (nein, ich kriege keine Provisionen!).
Weiterhin viel Spass beim Schnapsbrennen.......
raro