Hallo Hr. Schmickl,
auch von mir nochmal ein großes Lob für Ihr Buch und das sehr interessante Forum, ein wahrer Quell an Informationen! Beide habe ich in den vergangenen Monaten regelmäßig zu Rate gezogen!
Nach ersten sehr positiven Erfahrungen mit Maischen und Brennen nach Ihrer Anleitung stellen sich mir nun einige Fragen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Besuches eines fränkischen Edelbrenners, der einige Aussagen zum Thema machte, die zum Teil den Ihren diametral entgegen laufen. Vorweg, als chemisch Vorgebildeter tendiere ich eher dazu Ihnen zu glauben, kann aber nach Verkosten dessen exzellenter Produkte seine Argumente, wenn auch „nur empirisch“ gewonnen, nicht völlig von der Hand weisen.
1) Er behauptet, dass eine Kupferdestille für ein exzellentes Ergebnis unabdingbar wäre. Wenn ich es richtig verstanden habe sagen Sie in einigen Forenbeiträgen, dass bei nicht zerstörten Steinobstkernen von Ihnen nie Cyanid/Ethylcarbamat nachgewiesen wurde und das Kupfer allein zum Abbau derselben notwendig wäre (Gibt’s dazu eigentlich belegte Erkenntnisse über die ablaufenden Reaktionen?). Kann es sein, dass das Kupfer auch Reaktionen katalysiert, die zur Aromabildung beitragen? Gibt es dazu GC-analytische Untersuchungen/Literatur?
2) Das führt gleich zur zweiten Frage: Inwiefern spielen Reaktionen beim Aufheizen der Maische im Kessel eine Rolle für die Aromabildung und welche Rolle spielen dabei Aufheizzeit, Kesselmaterial oder pH-Wert der Maische? Haben Sie schon mal ausprobiert eine Maische vor dem Destillieren über einige Stunden „aufzuwärmen“ und hat das eine Auswirkung aufs Ergebnis (negativ oder positiv)?
3) Er behauptet weiterhin, dass ein Edelbrand nach dem Brennen und Verdünnen auf Trinkstärke das „beste“ Aroma hat und dieses im Laufe der Zeit nachlässt. Sie sagen dagegen, dass das Stehenlassen, möglichst mit Luftkontakt, das Aroma verbessert. Gibt es dazu, außer Ihrer Erfahrung Literatur die dies belegt, z.B. mit GC-Analysen? Welche Reaktionen (Oxydation, Umesterungen, Verdunsten unliebiger Bestandteile etc.) laufen da ab?
4) Noch eine Frage zur Zuckermaische: Warum geben Sie in Ihrem Rezept nicht so viel Zucker zu, dass auf 20%+ x Alk. vergoren wird und warum macht es der Hefe dabei nichts aus, dass der gesamte Zucker von Anfang an drin ist?
5) Was mir auch nicht einleuchtet ist, dass durch Rektifikation Aroma verloren geht. Eigentlich müsste doch das „Herzstück“, welches teilweise ja mit dem Vorlauf und kurz danach kommt besser von demselben abgetrennt werden können und somit im Edelbrand bleiben. Ich geh mal davon aus, dass die meisten Aromastoffe Azeotrope mit Ethanol/Wasser bilden, somit würden dann die ja auch wichtigen höhersiedenden im Edelbrand fehlen. Ist das richtig, oder finden auch Zersetzungsreaktionen der Aromen statt (wieder die Frage nach GC-Analysen)?
Oh weh, so viele Fragen! Falls Sie das alles in Ihren Seminaren klären BRENNE ich natürlich darauf eins derselben zu besuchen!
Viele Grüße
Antwort
Danke, das freut uns!
ad 1) Da gehen die Meinungen in der Tat weit auseinander. Zu diesem Thema gibt's auch eine Dissertation, wurde mit dem Titel "Kupferkatalytische Umwandlung von Vor- und Nachlauf in der Whiskybrennerei" hier im Forum heiß diskutiert. Darin ist im Wesentlichen beschrieben, dass nur der Einsatz von Kupferwolle oder Kupferpulver sinnvoll ist. Zum Finden der Einträge auf der Seite "Diskussion" in die Suchfunktion "lucas_marc.pdf" eingeben.
Manche warnen sogar vor Kupfer weil giftig, jemand anders wiederum belegt mit Messungen, dass in herkömmlichem Weißwein das x-fache an Kupfersalzen enthalten ist als in Destillaten aus Kupferanlagen.
ad 2) Im Gegensatz zum eigentlichen Brennen (langsam!) kann durchaus rasch aufgeheizt werden, aber so dass nichts anbrennt. Damit haben vorallem größere Kessel Probleme, auch mit der gleichmäßigen Wärmeverteilung vom Kesselinhalt, daher wird bei solchen Anlagen meist mit eingebautem Rührwerk gemächlich aufgeheizt. Auf keinen Fall die Maische vor dem Brennen einige Stunden aufwärmen! Aromastoffe sind wie Alkohol flüchtig, sie verdunsten. Kesselmaterial und pH-Wert spielen dabei keine Rolle.
Da gibt's z.B. die Amazing still (googeln). Dies ist nichts anders als ein offener Kübel in einem größeren Kübel, welcher verschlossen ist. Im inneren Kübel befindet sich Wein/Maische und ein Aquariumheizstab. Temperatur auf z.B. 35 bis 40°C einstellen. Das ganze einige Tage stehen lassen. Durch Verdunstung sammelt sich "Destillat" im äußeren Kübel, mit einem höheren Alkoholgehalt als vorher im Inneren. So ein Zwetschken"brand" schmeckt jedoch ganz anders als ein normaler. Diese Methode zeigt aber, dass viele Aromastoffe ebenfalls verdunsten, und genau diese würden beim stundenlangen aufwärmen verloren gehen.
Als einziger Vorteil würde mir einfallen, dass sich dadurch auch Vorlauf abbaut. Das gleiche passiert jedoch auch, wenn ausgegorene Maischen einige Monate lang (ohne sie aufzuheizen) gelagert werden, das funktioniert ohne entsprechende Zusätze aber nur mit hochgradigen Maischen.
ad 3) Kann ich mir gut vorstellen, dass bei ihm nach der stundenlangen Aufwärmprozedur der Brand geschmacklich nachlässt. Anscheinend hat er dadurch aber kein Vorlaufproblem mehr, sonst würde sich eine längere Lagerzeit vom Brand sehr deutlich positiv auswirken. Wenn vorhanden, baut sich die Schärfe vom Destillat (wenn diese auf Vorlauf zurückzuführen ist) in einer kleinen offenen Flasche mit breitem Hals bereits innerhalb von wenigen Tagen merklich ab.
Für den analytischen Nachweis ist die SMart Nose® (
www.smartnose.com) besser geeignet als eine Auftrennung mittels Gaschromatographie (welches Analysengerät würden Sie da dann anschließen?). Abgesehen davon werden solche Dinge auch heutzutage immer noch "erschnüffelt", in der Regel von mehreren unabhängigen Probanden, weil selbst moderne Analysenmethoden das (noch) nicht zufriedenstellend können. Wie bei einer Weinverkostung: die wird auch noch von Menschen durchgeführt.
In Summe laufen beim Lagern alle drei von Ihnen genannten Prozesse ab. In nahezu jedem Buch zum Thema Schnapsbrennen ist beschrieben, dass der Brand einige Jahre gelagert werden sollte. Nicht nur wir empfehlen dies. Unterschiedliche Ansichten gibt es lediglich ob der Brand vor oder nach der Lagerung verdünnt werden sollte (sofern nicht in Holzfässern gelagert wird).
ad 4) Das ist der Originalrezeptur vom Hersteller. Ich könnte mir vorstellen, dass auch bei dünnflüssigen Obstmaischen der gesamte Zucker auf einmal zugegeben werden könnte. Jedoch ist es in diesem Fall sinnvoller die Zuckerzugabe aufzuteilen, um eine zu starke Gärung und damit ein Ausblasen von Aroma zu vermeiden.
ad 5) Um dies herauszufinden sollten Sie, wenn Sie das nächste mal brennen, während der Destillation regelmäßig ein paar Tropfen vom Destillat kosten. Nicht aus der Vorlage, sondern direkt das was den Kühler verlässt. Sie werden bemerken, dass der Geschmack sich während der Destillation gravierend ändert. Am deutlichsten ist dies bei Gemischen wie Obstler oder bei einem Kräuter-/Gewürzgeist erkennbar. Zuerst kommen die dominanten Aromastoffe heraus, die man beim Schnapsgenießen als erstes wahrnimmt, beim Parfum sagt man Kopfnoten dazu. Danach folgt die Herznote und schlußendlich, vor dem Nachlauf, die Basis, welche in Reinform überhaupt nicht mehr "gut" schmeckt, sondern dumpf und langweilig. Für das Bukett eines Brandes sind jedoch alle drei Noten sehr wichtig, nur dann schmeckt der Brand auch harmonisch und "rund". Wird zu früh abgebrochen, ist der Geschmack kantig, "unreif", nahezu scharf.
Bei einer Rektifikation trennen Sie den Mittellauf in kleine Fraktionen auf, um nun das Gesamtbukett wieder zu erreichen, müssten Sie also wieder alles zusammenmischen. Dafür brauche ich aber keine Rektifikation. In der Praxis wird jedoch nicht so weit gebrannt wie bei einer Pot-still, sondern nur versucht das "Herzstück" zu finden.
Stimmt, zumindest einige Fruchtaromen (Ester, Aldehyde, Alkohole) wie z.B. gewisse Ester bilden mit Wasser und/oder Ethanol azeotrope Gemische. Sicher existieren auch ternäre Azeotrope aus Aromastoff/Ethanol/Wasser. Z.B. Essigsäureethylester (Ethylacetat): Azeotrop mit Wasser enthält 8% Wasser und 92% Ethylacetat (Sp: 70°C), Azeotrop mit Ethanol enthält 31% Ethanol und 69% Ethylacetat (Sp: 71°C). Im Normalfall sollten beim Schnapsbrennen solche Konzentrationen jedoch nicht auftreten. Ethylacetat ist sogar ein Sonderfall, weil es in größeren Mengen auftreten kann (Vorlauf!) als andere Ester-Verbindungen. Der Aromaanteil je kg frisches Obst liegt in der Größenordnung von nur 10 mg! Worauf ich hinaus will: obwohl bei Aromastoffen azeotrope Gemische mit Ethanol bzw. Wasser existieren, betrifft uns das nicht beim Schnapsbrennen, weil die Konzentration in der Maische dazu viel zu gering ist. Daher werden diese auch temperaturabhängig beim Schnapsbrennen aufgetrennt und das Destillat schmeckt daher je nach Temperatur immer ein wenig anders. GC-Analysen: siehe ad 3)
Ja, in den Seminaren werden, nicht zuletzt wegen der Fragen der Seminarteilnehmer, diese Punkte detailliert besprochen.